caring structures

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Edna Bonhomme, Lizza May David & Claudia Liebelt, Feministische Gesundheitsrecherchegruppe (Julia Bonn/Inga Zimprich), Johanna Hedva, Sophie Krambrich, Romily Alice Walden u. a.
31.10.2020 – 09.01.2021

“Jetzt könnte ein guter Zeitpunkt sein, unsere Vorstellung davon, wie eine Revolution aussehen könnte, zu überdenken. Vielleicht sind es keine wütenden, leistungsfähigen Körper, die als Demonstrationszug durch die Straßen ziehen. Vielleicht sieht es eher wie ein Stillstehen der Welt aus, weil alle Körper erschöpft sind - Care muss Priorität bekommen, bevor es zu spät ist.”

In dem Essay Get Well Soon (2020) skizziert Johanna Hedva ein Szenario, das im Frühjahr 2020 durchaus möglich zu sein schien. Es ist mit dem Appell und der Hoffnung verbunden, dass das Wissen um die universelle Verletzlichkeit aller Körper und die Einsicht in die gegenseitige Abhängigkeit zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen. Care[1] zu priorisieren und Sorgearbeit zu leisten und-oder auf Sorgearbeit angewiesen zu sein, bedeutet in einer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft immer auch, in Reibung mit den normierten und normierenden Vorstellungen von Produktivität und Leistung zu kommen. Es ist an der Zeit, den Ableismus[2] der Gesellschaft grundsätzlich in Frage zu stellen. 

Um einen Raum für ein kritisches und zukunftsweisendes Nachdenken über Sorgetragen zu eröffnen, bringt die Ausstellung caring structures Arbeiten verschiedener Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen zusammen. Sie forschen in Archiven zur selbstorganisierten Gesundheitsversorgung, denken über das Einander-Begegnen in Krisen nach, portraitieren Care-Arbeitende, formulieren das Manifest einer queeren und inklusiven Utopie, recherchieren Naturheilmethoden im Internet und geben Stimmen Raum, die nicht nur von Gesundheitssystemen strukturelle Diskriminierung erfahren. In Video- und Soundarbeiten, Zines, Aquarellen und Plakaten verweben sich aktivistische und subversive Taktiken mit dokumentarischen und poetischen Erzählweisen. Die Arbeiten regen zu einer Auseinandersetzung mit strukturellen wie individuellen Dimensionen von Care an und lösen die binären Vorstellungen von ‘krank’ und ‘gesund’, ‘leistungsfähig’ und ‘be_hindert’ auf. Dabei werden sorgetragende Strukturen erkennbar, die queer*feministische und kontrarassistische Forderungen ernst nehmen. Sie ermöglichen, sich eine inklusive und gewaltfreie Zukunft vorzustellen. 

Wie würde die Welt aussehen, wenn wir radikal mitdenken, dass wir alle von Krankheit betroffen sind?
 

[1]  Der Begriff Care hat im Englischen und im Deutschen eine vielfältige Bedeutung und meint unter anderem Sorgetragen, Aufmerksamkeit, Fürsorge, Pflege und Zuwendung. 

[2] Der Begriff Ableismus bezeichnet die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer körperlichen Fähigkeiten. Er ist angelehnt an den englischen Begriff ‚Ableism‘, der in den Disability Studies entwickelt wurde.

 

Zur digitalen Repräsentation der Ausstellung geht es hier.

Zur Ausstellung ist eine Online-Publikation erschienen, die hier heruntergeladen werden kann.

Die Ausstellung wurde von Nora Brünger und Leona Koldehoff kuratiert und zusammen mit dem Ausstellungsteam durchgeführt.

Ausstellungsteam: Clara Kiehnlein (kuratorische Assistenz), Maria Nesemann (Leitung Kunstvermittlung), Ben Leven (Praktikum)
Ausstellungsaufbau: David Bruckmüller, Julian Grönefeld, Clara Kiehnlein, Ben Leven, Maren Pfeiffer, Theresa Tolksdorf
Gestaltung der Leseecke: Maren Pfeiffer und Claudio Giesen 
Gestaltung der digitalen Repräsentation der Ausstellung: Lane Peterson und Maren Pfeiffer
Übersetzung: Lane Peterson 

Grafische Gestaltung: Franziska Bauer und Rebekka Weihofen

Bildnachweis: Installationsansichten, Gruppenausstellung caring structures, Kunstverein Hildesheim. Foto: Samuel Henne