Die multimediale, performative Installation „Funny yes but not Funny haha" greift das affektive Register und interventionistische Potenzial von Internet-Memes auf und überträgt diese in den analogen Raum des Kehrwiederturms.
Memes sind kreative Ausdrucksformen aus dem Cyberspace, die durch das Rekombinieren von Zeichen wie Medienzitaten, Film-, Foto- und Textabschnitten über ein copy-paste Verfahren neue Bedeutungsebenen erschaffen. Dabei greifen sie gesellschaftliche und politische Themen auf und reagieren mit niedriger Bildqualität und bissigem Humor tagesaktuell auf die Gegenwart.
Durch die dezentrale, partizipative Produktionsweise, die vom Aneignen und Teilen geprägt ist, bringen Memes gemeinschaftliche Gefühle zum Ausdruck und spiegeln den emotionalen Zustand unserer Zeit, hin- und hergerissen zwischen extremer Ironie und absoluter Wahrhaftigkeit, wider. Mit Witz und einer an Gleichgültigkeit grenzenden Ambivalenz pflegen sie einen humorvollen Umgang mit schmerzhafter Realität und offenbaren in einem Alltag, der von permanenten Krisennachrichten und katastrophalen Verhältnissen geprägt ist, einen Zustand kognitiver Dissonanz: die Widersprüchlichkeit zwischen Wissen und untätigem Verhalten trotz dessen. Zugleich deklarieren sie den normativen, privilegierten Alltag selbst zur Katastrophe und setzen eigene Verantwortung und Schuldgefühle ins Bild.
Die Ausstellung ist angelehnt an die Tarotkarte „Der Turm“, die von Chaos, Untergang, der Zerstörung veralteter Wertevorstellungen, aber auch von der Möglichkeit eines Neubeginns erzählt. Inspiriert von der Internet-Meme-Kultur, bietet sie einen Raum, der Gefühle von Verzweiflung, Wut, Ohnmacht, Frustration und Überforderung willkommen heißt. Gleichzeitig appelliert sie an eine notwendige Resilienz – wie das Lachen über die Absurdität der Situation.
Alicia Agustín ist Performance-Künstlerin und Autorin und lebt und arbeitet in Berlin. In ihrer Praxis verhandelt sie den menschlichen Drang nach Bewunderung, Wissen, Genies und Kulten sowie die damit einhergehenden Machterhaltungsstrategien. In ihren Projekten nutzt sie Methoden der reflektierenden Simulation und verwendet mit Vorliebe Formate, die sie im politischen oder kulturellen Betrieb vorfindet und oftmals zu immersiven Erfahrungen verarbeitet.
Im Kollektiv Talking Straight wurde sie 2015 zum Stückemarkt des Berliner Theatertreffens eingeladen und war 2017-2018 „artists in residence“ im Studio Я des Maxim Gorki Theater Berlin. 2020 und 2021 entwickelte sie mit dem Kollektiv Guerilla Architects, die Trilogie „1km2 Berlin-Die Tragödie der offenen Stadt“ im öffentlichen Raum, die am Radialsystem gezeigt wurde. Sie zeigte unter anderem Arbeiten in den Münchner Kammerspielen, HAU Hebbel am Ufer (Berlin), Sophiensaele (Berlin), Sziget Festival (Budapest), Theater Neumarkt (Zürich), Kampnagel (Hamburg), ngbK (neue Gesellschaft für bildende Kunst, Berlin), n.b.k (Neuer Berliner Kunstverein, Berlin), Silent Green (Berlin), Haus der Berliner Festspiele, Espacio Disponible (Buenos Aires), Kiesel im K2 (Friedrichshafen) u.v.a.
Künstlerische Leitung: Charlotte Rosengarth
Projektmitarbeit: Polly Bruchlos
Sounddesign: Gabor Csongradi
Bildnachweis: © Alicia Agustín, 2024, Filmstill: Leo Adass